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Lebensmitteleinzelhandel: Vom krummen Obst und Gemüse bis zum MHD

Stand:
2020 wurden im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland rund 800.000 Tonnen Lebensmittel entsorgt. Ein großer Teil entfiel dabei auf den klassischen Einzelhandel wie Supermärkte oder Discounter.
Eine krumm gewachsene Möhre

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der klassische Lebensmittelhandel, wie Supermärkte, Discounter, Verbrauchermärkte, entsorgt etwa 290.000 Tonnen Lebensmittelabfälle jährlich.
  • Krummes Obst und Gemüse können Sie auch wieder im Supermarkt kaufen.
  • Der Handel sollte das Angebot an losem Obst und Gemüse noch weiter ausbauen.
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Ursachen und Zahlen zu Lebensmittelabfällen im Handel

Lebensmittelabfälle im Einzelhandel haben vielfältige Gründe:

  • So kann es zur Fehlkalkulation kommen, weil Händler mit einem schönen Sommerwochenende rechnen und entsprechend viel Grillware bestellt wurde. Dann aber am Freitag unerwartet Regen einsetzt und die bestellte Ware doch nicht verkauft wird.
  • Oder Obst oder Gemüse wurde im Lager vergessen und muss wegen Verderb und Schimmel entsorgt werden.
  • Manchmal sind Kühl- und Tiefkühlgeräte falsch eingestellt oder fallen ganz aus und Ware landet wegen Unterbrechung der Kühlkette in der Tonne.
  • Oder nach dem Oster- und Weihnachtsfest übrig gebliebene Saison- und Aktionsware lässt sich nicht verkaufen.

Laut dem aktuellen Bericht nach EU-Vorgaben des Statistischen Bundesamtes ist die Gesamtmenge für den Handel nun bei 800.000 Tonnen anzusiedeln. Daten zur Vermeidbarkeit oder Unterteilung nach Groß- und Einzelhandel werden nicht veröffentlicht.

Daher werden im Folgenden die Daten des Thünen-Instituts genutzt. Dieses kommt 2019 zu dem Ergebnis, dass auf den klassischen Lebensmitteleinzelhandel mit Supermärkten, Discountern und Verbrauchermärkten 290.000 Tonnen Lebensmittelabfälle pro Jahr entfallen.

Weitere Einzelhändler wie Drogeriemärkte, Bäckereien, Fleischereien, Onlinehandel, Getränkehandel, Wochenmärkte und Tankstellen kommen auf 210.000 Tonnen Lebensmittelabfall. Nicht berücksichtigt sind Retouren, also Produkte, die nicht verkauft und an die Lieferanten zurückgegeben und entsorgt werden. Etwa 30 Prozent der Abschreibungen gehen jedes Jahr an karitative Einrichtungen wie etwa die Tafeln.

Bei den leicht verderblichen Lebensmitteln wie Brot werden laut dem Bericht wertmäßig rund 6 Prozent der Produkte entsorgt, bei Obst und Gemüse etwa 4,3 Prozent, während bei Getränken und Tiefkühlkost gerade mal rund 0,3 Prozent Verluste anfallen.

16 Unternehmen des Lebensmittelgroß- und Einzelhandels haben Anfang 2020 eine Beteiligungserklärung gegen Lebensmittelverschwendung unterzeichnet. Damit verpflichten Sie sich, noch verkehrsfähige Lebensmittel an soziale Einrichtungen weiterzugeben und Lebensmittelabfalldaten zu erfassen. Das ist jedoch in den Handelsunternehmen längst selbstverständlich. Von den 13 Wahlpflichtmaßnahmen müssen 4 umgesetzt werden. Dazu zählt beispielsweise Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern zu verkaufen oder Lebensmittel mit kurz bevorstehendem Mindesthaltbarkeitsdatum reduziert anzubieten.

Umgang mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum und leicht verderblichen Lebensmitteln

Die Händler:innen müssen prüfen, ob die Lebensmittel einwandfrei sind und am Regal oder auf dem Lebensmittel auf das überschrittene MHD hinweisen. Viele Händler:innen nehmen Lebensmittel oftmals mehrere Tage oder sogar bis zu einer Woche vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) aus den Regalen.

Der Handel hat vielfältige Möglichkeiten, Lebensmittelabfälle zu verringern. Eine schnellere, optimierte Lieferkette kann Abfälle im Einzelhandel und bei Verbraucher:innen reduzieren, wenn der Zeitraum zwischen Ernte, Verpackung und Verkauf verkürzt wird. Denn jeder Tag in der Lieferkette verkürzt die Restlaufzeit von Lebensmitteln. Zumal viele frische Lebensmittel eine unsachgemäße Behandlung wie etwa falsche Temperaturen beim Transport nicht vertragen.

Am Abend und vor Geschäftsschluss sollte das Angebot an leicht verderblichem Obst- und Gemüse sowie Brot und Backwaren nur noch dosiert, also je nach aktueller Nachfrage mit kleineren Mengen aufgefüllt werden.

Krummes Obst und Gemüse

Viele Händler:innen bieten mal krummes Obst und Gemüse (ugly foods) an, wie etwa verwachsene Möhren oder Äpfel der Handelsklasse B. Häufig werden aber ugly foods neben den durchsortierten Obst- und Gemüseangeboten angeboten. Dann geht es den Händler:innen wohl eher um Imagepflege. Denn Ziel sollte es sein, Obst und Gemüse generell wieder auf "naturnahe Sortierungen" umzustellen, so dass möglichst wenig krummes Obst und Gemüse nach der Ernte aussortiert werden muss.

Dafür müssten die Handelskonzerne aber ihre Qualitätsanforderungen für Obst und Gemüse nach und nach anpassen. Die gesetzlichen Regelungen und Normen sind hier ausreichen. Die Vermarktungskonzepte beispielsweise von Klasse II sollten weiterentwickelt werden. Dazu gehört auch, die Verbraucher:innen beim Kauf von Obst- und Gemüse aktiv zu informieren.

Ein erfolgversprechenderer Ansatz ist es, Gemüse, Obst und Kartoffeln aus ökologischem Landbau in weitgehend natürlicher Mischung anzubieten. In den Packungen finden sich neben bisher gewohnten Produkten, etwa kleinwüchsige Tomaten, grünliche Zitronen oder krumme oder kleinere Möhren. Das ist gerade im Biobereich besonders wichtig, da hier keine synthetischen Pestizide erlaubt sind, weshalb ansonsten besonders viele Bioprodukte wegen Schönheitsfehlern aussortiert werden.

Verbraucher:innen helfen, nur das zu kaufen, was sie wirklich essen

Der Handel sollte das Sortiment an losem Obst und Gemüse ausweiten. So können Verbraucher:innen bedarfsgerecht einkaufen und gleichzeitig Verpackungen einsparen. Diese Produkte sollten dann nach Gewicht und nicht mehr pro Stück verkauft werden, was den bedarfsgerechten Einkauf erleichtert. Auch sollten Sie auf Verpackungssysteme verzichten, die Lebensmittelverluste verursachen, wie etwa Schalen aus Styrorpor, und Kunststoff für Möhren, die dazu führen, dass zu lange Möhren aussortiert werden. Beim Einsatz von Beuteln kann die Aussortierquote deutlich verringert werden.

Auch kann der Handel kleinere Produktgrößen und Produkte mit verschiedenen Reifegraden anbieten, etwa zum direkten Verzehr und als "Lagerware" für die nächsten Tage daheim. So können Verbraucher:innen selbst über die eingekauften Mengen, auch entsprechend der eigenen Lagermöglichkeiten zu Hause entscheiden.

Aktionen wie XXL-Angebote, die Verbraucher:innen zum Kauf größerer Mengen animieren, passen nicht in eine Zeit, in der Ressourcen eingespart werden sollen. Große Beutel mit Äpfeln und Orangen sollten daher nur selten angeboten werden, da die Lagerung zu Hause meist nicht lange möglich ist.