Das Wichtigste in Kürze:
- Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Kostenklausel in Riester-Verträgen der Sparkasse Günzburg-Krumbach, die in gleichen Formularen auch von anderen Sparkassen verwendet wurde, für rechtswidrig erklärt (Az. XI ZR 290/22).
- Riester-Anbieter kassieren auch nach diesem Urteil weiter Kosten für Verrentungsangebote. In zwei Fällen geht die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg dagegen vor.
- Verbraucher:innen sollten ihre Handlungsoptionen prüfen, bevor sie ein Angebot zur Zahlung einer Rente annehmen.
Was ist das Problem?
Wenn Verbraucher:innen einen Riester-Vertrag abschließen und jahrelang Geld einzahlen, dürfen sie auch eine Leistung in Form einer Rente erwarten. Schließlich ist so ein Vertrag nicht mit dem Renteneintritt beendet, es wechseln dann nur die Vorzeichen: Sie bekommen dann eine Rente, statt weiter einzuzahlen.
Nähert sich die Ansparphase ihrem Ende, bekommen Sie vom Anbieter ein oder mehrere Vertragsangebote für die Verrentungsphase. Die Regelung dazu finden Sie in Ihrem Riester-Vertrag. Der dann angebotene Verrentungsvertrag wird von Ihrem Riester-Anbieter und dem Versicherer abgeschlossen. Sie als Rentner:in sind lediglich die begünstigte Person. Aus diesem Vertrag geht hervor, wie hoch die Rente sein und welcher Versicherer diese auszahlen wird.
Für den Abschluss dieser neuen Verträge werden Sparer:innen aber neue "Abschlusskosten" sowie "übrige Kosten und Verwaltungskosten" in Rechnung gestellt. Prüfen Sie eventuelle Post Ihres Riester-Anbieters kurz vor Rentenbeginn kritisch. Die Angebote könnten Kosten enthalten, die der Anbieter von Ihnen nicht verlangen darf. Betroffen sind Riester Banksparpläne, Fondssparplänen und Bausparverträge. Riester-Rentenversicherungen sind nicht betroffen.
Wie ist die Rechtslage?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 21.11.2023 (Az. XI ZR 290/22) folgende Klausel der Sparkasse Günzburg-Krumbach für rechtswidrig erklärt: "Im Falle der Vereinbarung einer Leibrente werden dem Sparer ggfs. Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet." Andere Anbieter wie Volksbanken, Fondsgesellschaften und Bausparkassen haben andere Klauseln verwendet, die aber nach unserer Beobachtung jeweils Mängel bezüglich der Transparenz aufweisen. Deshalb ist das BGH-Urteil nach unserer Auffassung auch auf andere Verträge übertragbar. Nicht alle Anbieter teilen diese Einschätzung - einige sind nicht bereit, sich fortan nicht mehr auf die Kostenklausel in ihrem Riester-Vertrag zu berufen:
- Volksbank Darmstadt Mainz eG: Die Bank weigerte sich zur Abgabe einer Unterlassungserklärung. Nur wird das OLG Koblenz über die Kostenklausel im VR-RentePlus Vertrag entscheiden (Az. 2 UKl 1/24, Verhandlung 21.11.2024).
- Die DekaBank Deutsche Girozentrale gab am 1.2.2024 gegenüber der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg die geforderte Unterlassungserklärung ab und versprach, sich im Deka-BonusRente-Vertrag nicht mehr auf folgende Klausel zu berufen: "Für den Abschluss einer Rentenversicherung i.S.d. Ziffer 9 können weitere Kosten entstehen."
- Die Union Investment Privatfonds GmbH gab am 1.2.2024 gegenüber der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg die geforderte Unterlassungserklärung ab und versprach, sich im Vertrag UniProfiRente nicht mehr auf folgende Klausel zu berufen: "Für den Abschluss der Rentenversicherung (C.3. der Sonderbedingungen zum Altersvorsorgevertrag) können weitere Kosten entstehen."
Spätestens nach Bekanntwerden des Urteils haben die meisten Anbieter ihre Argumentation zur Rechtfertigung der verlangten Kosten angepasst. Die meisten Institute bestreiten nicht mehr, dass die Vertragsklausel im ursprünglichen Altersvorsorgevertrag, also dem Vertrag, den Sie vor Jahren abgeschlossen hatten, möglicherweise wegen Intransparenz rechtswidrig sein könnte. Sie argumentieren, dass es auf die damalige Klausel nicht ankäme, weil das Verrentungsangebot alle Kosten transparent aufschlüssele. Sie berufen sich nun auf Kostenklauseln in den Verrentungsangeboten. Da die Anbieter unbeeindruckt von der BGH-Entscheidung weiterhin kostenpflichtige Verrentungsangebote verschicken, obwohl dafür im Altersvorsorgevertrag keinerlei Rechtsgrundlage vorhanden ist, lässt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg diese Praxis in zwei Fällen nun gerichtlich überprüfen.
- Klage gegen Sparkasse Pfullendorf-Meßkirch, LG Hechingen, Az 5 O 11/24 KfH, Verhandlungstermin am 15. Oktober 2024 erwartet
- Klage gegen die Sparkasse Schwaben-Bodensee (vormals Sparkasse Günzburg-Krumbach), LG Memmingen Az 1 HK O 1107/24, Verhandlungstermin: noch offen
Ziel ist es, Rechtssicherheit zu bekommen. Es ist aber davon auszugehen, dass auch diese Verfahren bis zum BGH geführt werden müssen. Bis zu einer Entscheidung können daher noch mehrere Jahre vergehen.
Eventuelle Ansprüche auf Rückzahlung können unseres Erachtens vor Bekanntwerden einer noch ausstehenden höchstrichterlichen Entscheidung nicht verjähren. Unabhängig davon besteht aber das Risiko, dass Rückzahlungsansprüche spätestens nach zehn Jahren verjähren. Ist die Belastung von Abschlusskosten ohne Rechtsgrundlage in Ihrem Fall also bald schon zehn Jahre her, kann nur eine individuelle Klage die drohende Verjährung hemmen. Zu einer Klage raten wir aber nur, wenn das Prozesskostenrisiko durch eine Rechtschutzversicherung gedeckt ist oder wenn Sie bereit sind, das Kostenrisiko zu tragen. Lassen Sie sich in diesem Fall anwaltlich beraten.
Was Sie tun können
Auf diese Dinge sollten Sie achten:
- Überprüfen Sie Ihre Verträge bereits vor Beginn der Rente. Finanzinstitute dürfen bei Riester-Verträgen nur Kosten verlangen, auf die sie vorvertraglich konkret hingewiesen haben.
- Prüfen Sie, zwischen wem welcher Verrentungsvertrag abgeschlossen werden soll. Oft schließen Kreditinstitute ihn als Versicherungsnehmer mit dem Versicherer ab. Sie selbst werden lediglich als begünstigte Person ("Versicherte Person") vermerkt. Aus Sicht der Verbraucherzentralen können Sie aber nicht mit Kosten aus einem Vertrag belastet werden, den Ihre Sparkasse oder Volksbank mit einer Versicherungsgesellschaft, also mit einem Dritten, abschließt.
Wichtig ist, dass Sie sich wehren, bevor Sie ein Verrentungsangebot annehmen.
Sie haben das Verrentungsangebot noch nicht angenommen? Diese Optionen haben Sie
- Nehmen Sie das Verrentungsangebot unter Vorbehalt an
Lassen Sie dann vor Vertragsabschluss handschriftlich vermerken, dass Sie die geltend gemachten Kosten nur unter Vorbehalt entrichten. Teilen Sie Ihrem Kreditinstitut Ihre Verärgerung über die unerwarteten hohen Kosten mit und verweisen Sie auf die eindeutige BGH-Rechtsprechung.
- Fordern Sie eine Nachbesserung des Verrentungsangebots
Je nachdem, was Sie vertraglich vereinbart haben, können Sie die Berechnung einzelner Kostenarten zurückweisen und den Anbieter auffordern, ein neues Angebot vorzulegen. In dem dürfen dann nur die Kosten aufgeführt sein, die im ursprünglichen Vertrag genannt wurden. Lesen Sie den Wortlaut hierzu in Ihrem Vertrag genau nach.
Wurden keine konkreten Kostenarten und -höhen beziffert, darf der Anbieter unserer Auffassung nach keine Kosten in Rechnung stellen.
- Nehmen Sie das Verrentungsangebot nicht an
Wenn Sie mit den Kosten nicht einverstanden sind, dürfen Sie ein zu teures Angebot ausschlagen. Wenn Sie das Angebot dagegen vorbehaltlos annehmen, kann der Anbieter es später so auslegen, dass Sie mit den genannten Kosten einverstanden waren und Rückforderungsansprüche zurückweisen.
- Schalten Sie einen Anwalt ein
Wenden Sie sich dafür am besten an einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Die Bundesrechtsanwaltskammer stellt eine Online-Datenbank mit allen in Deutschland zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zu Verfügung. Dort können Sie nach Rechtsgebiet und Sitz der zuständigen Anwaltskammer gezielt nach Anwälten und Anwältinnen suchen.
- Schalten Sie die Schlichtungsstelle ein und informieren Sie die Finanzaufsicht BaFin
Schlichtungsstellen können einen außergerichtlichen Einigungsvorschlag unterbreiten. Meist suchen sie den Interessenausgleich zwischen der Anbieter- und der Verbraucherseite.
- Wenn es um Verrentungsangebote von Versicherern geht, wenden Sie sich am besten an einen Versicherungsombudsmann.
- Kund:innen einer Volks- und Raiffeisenbank können sich an die Schlichtungsstelle des Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken wenden.
- Sparkassen-Kund:innen finden den richtigen Ansprechpartner beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband.
In jedem Fall sollten Sie auch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Beschwerde einreichen.
- Kündigen Sie Ihren Vertrag förderschädlich
In diesem Fall müssen Sie die Förderung zurückzahlen, können aber dann frei über Ihr Geld verfügen. Wenn Sie Rat brauchen, ob diese Option für Sie bedarfsgerecht ist, vereinbaren Sie dazu am besten einen Beratungstermin bei der Verbraucherzentrale.
- Holen Sie Angebote bei anderen Anbietern ein
Der Gesetzgeber hat einen Anbieterwechsel zwar vorgesehen, allerdings scheitert dies an der Geschäftspolitik der Anbieter. Nach Kenntnis der Verbraucherzentralen gibt es derzeit keine Anbieter, die Kund:innen, die zu Rentenbeginn wechseln wollen, annehmen.
- Entnehmen Sie das Guthaben für Ihre selbst genutzte Immobilie
Sie können das im Vertrag enthaltene Kapital auch zum Erwerb, zur Entschuldung oder Sanierung von selbstgenutztem Wohneigentum (Wohn-Riester) entnehmen. Details können Sie hier nachlesen.
- Lassen Sie sich das gesamte Guthaben auszahlen (Kleinbetragsrente)
Unter Umständen können Sie sich die gesamte Riester-Rente auf einmal auszahlen lassen, ohne Steuervorteil oder Zulagen zurückzahlen zu müssen. Das geht aber nur, wenn die monatliche Rente unter 1 Prozent der monatlichen Rentenbezugsgröße (West) ist (§ 18 SGB IV), was aktuell einer Rente von 35,35 Euro (Stand 2024) entspricht. Überschlägig ist dies bei einem Betrag von um die 10.000 Euro der Fall.
Wichtig: Entscheidend ist nicht das Guthaben, sondern nur das geförderte Altersvorsorgevermögen. Einzahlungen, die nicht gefördert waren, zählen nicht dazu.
- Lassen Sie sich 30% des Guthabens auszahlen
Unter Umständen (nachzulesen im Vertrag und den Bedingungen) können Sie sich bis zu 30% des Guthabens zum Rentenbeginn auszahlen lassen. Das ist nicht förderschädlich. Nur die übrigen 70% werden dann verrentet.
- Fordern Sie eine Erstattung der verlangten Kosten
Die Bank könnte allerdings einwenden, dass Sie mit den Kosten einverstanden waren, indem Sie das Verrentungsangebot angenommen haben.
- Fordern Sie Erstattung sämtlicher vom Versicherer erhaltenen Zuwendungen (Provisionen)
Möglicherweise lässt sich Ihre Bank auf einen Kompromiss ein und zahlt Ihnen sämtliche Provisionen und sonstige Zuwendungen zurück, die sie vom Versicherer für die Vermittlung des Verrentungsangebotes erhalten hat. Oder statt der Rückzahlung erhalten Sie nachträglich eine höhere Rente.
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