So wünschen sich Verbraucher eine gute Milchkuhhaltung
Im Online-Fragebogen zur Milch gab es mehrere Fragen mit jeweils verschiedenen vordefinierten Auswahlmöglichkeiten. Die Auswirkung auf den Preis war für die Befragten sichtbar. So hat die Mehrheit der mehr als 9300 Teilnehmer entschieden:
- 94 Prozent der beteiligten Verbraucher haben sich für die Weidehaltung der Kühe entschieden. Das bedeutet, dass die Kühe im Sommer mindestens vier Monate tagsüber auf die Weide dürfen.
- In dieser Zeit besteht das Futter hauptsächlich aus frischem Gras und es wird durch Kraftfutter aus regionalem Anbau ergänzt. Heu und Silage dürfen die Landwirte nur außerhalb der Vegetationsperiode von Frischgras füttern.
- Auch dass es Bio-Milch sein soll, war mit 86 Prozent der Stimmen eindeutig.
- Den Tieren soll es ganz besonders gut gehen, das lässt sich klar aus den Abstimmungsergebnissen ablesen: 66 Prozent der Teilnehmenden haben für das höchstmögliche zur Auswahl gestellte Tierwohl – "ausgezeichnetes Tierwohl" – gestimmt. Weitere 20 Prozent haben für die zweithöchste Kategorie gestimmt ("sehr gutes Tierwohl").
Das Tierwohl wird bei der Initiative "Du bist hier der Chef" mit einem wissenschaftlich entwickelten Bewertungssystem bestimmt, das unabhängig von der neuen Verbrauchermarke erarbeitet worden ist. Dieses Bewertungssystem berücksichtigt eine Vielzahl von Kriterien wie die Tiergesundheit, die Qualität und Intensität der Tierbetreuung, die Größe, Beschaffenheit und Sauberkeit des Stalls, das Stallklima, das Vorhandensein von Auslaufflächen und soziale Kontakte der Tiere mit einem Punkte-System. Die Punktevergabe wird jedes Jahr erneut durch externe Prüfer vorgenommen.
Die Verbrauchermarke – eine Initiative nach französischem Vorbild
Ganz nach dem Vorbild der französischen Marke "C’est qui le patron?" gibt der 2019 in Deutschland gegründete Verein "Du bist hier der Chef" interessierten Verbrauchern die Möglichkeit, über Kriterien wie die Haltung der Tiere, den Produktionsprozess, die Vergütung der Landwirte und auch die Nachhaltigkeit der Verpackung mitzubestimmen. Ein externes Kontrollinstitut überprüft die teilnehmenden Betriebe jährlich, ob sie die vertraglich vereinbarten Konditionen einhalten.

In Frankreich sind bereits mehr als 30 Lebensmittel auf dem Markt, über deren Herstellungsbedingungen seit 2016 abgestimmt wurde. Die Produktpalette reicht dort von Salaten, Butter und Fleisch bis hin zu Schokolade, Pizza und Wein. Die Entscheidung, welche Produkte in Deutschland als nächste angegangen werden, liegt auch bei den Verbrauchern: Auf der Internetseite können sie drei Wünsche äußern.
Nach der Milch sollen hierzulande Eier, Kartoffeln und Butter folgen. Auch weitere Milchvarianten wie fettarme Frisch- und H-Milch, die nach den gleichen Kriterien hergestellt werden, sind von dem Verein angedacht.
Das Verbrauchervoting
Durch wohlklingende Produktnamen und verschiedene Siegel versuchen Hersteller häufig, Lebensmitteln ein nachhaltiges Image zu geben. Diese Botschaften vermitteln zwar ein positives Image, ob es sich aber letztlich auch im Produkt widerspiegelt, ist häufig intransparent: So erfahren Verbraucher beispielsweise bei tierischen Lebensmitteln oft nicht, wie die Tiere gehalten und gefüttert werden und ob der Landwirt kostendeckende Erlöse erzielt.
Was jedem wichtig ist, kann er über den Fragebogen der neuen Verbrauchermarke selbst entscheiden. Die Kriterien mit den meisten Stimmen werden letztendlich umgesetzt, bei knappen Entscheidungen ist eventuell auch eine Kompromisslösung denkbar. Die Auswertung der einzelnen Fragen ist auch nach dem Voting noch einsehbar.
Der Fragebogen wird gemeinsam mit einer Verbrauchergemeinschaft und Vertragspartnern wie den Landwirten erarbeitet. Dadurch fließt das Know-how der Erzeuger in die Fragestellungen und Preisgestaltung mit ein.
Vorab ist der anteilige Preis für jede Wahlmöglichkeit einsehbar – so ist für Verbraucher von Anfang an ersichtlich, wie sich der Endpreis verändert, wenn die Entscheidung beispielsweise auf Bio- statt konventionelle Milchproduktion oder eine besonders faire Vergütung für die Landwirte fällt. Dieser Endpreis wird als unverbindliche Preisempfehlung auf die Milchpackung gedruckt: Damit ist erkennbar, ob der Handel die Milch teurer oder günstiger anbietet.
Der Verein erhält fünf Prozent der Umsätze, im Fall der Milch sind dies pro Packung sieben Cent.
Kurze Erläuterungen der Erzeugungskriterien finden Verbraucher direkt auf der Verpackung. Weitergehende Informationen, z.B. über teilnehmende Landwirte und die Molkerei, stehen auf der Internetseite der Initiative. Diese sind über einen QR-Code auf der Packung direkt aufrufbar.
Unsere Einschätzung
Wir begrüßen den Ansatz der Initiative "Du bist hier der Chef", Verbraucher mitbestimmen zu lassen, wie ihre Lebensmittel erzeugt werden sollen.
- Es zeigt sich bei Umfragen immer wieder, dass Verbrauchern Tierwohl und faire Löhne für die Erzeuger wichtig sind. Die bunte Werbewelt um industriell hergestellte Produkte verschleiert aber oft die tatsächlichen Produktionsbedingungen und den harten Preiskampf, der Tiere und Erzeuger benachteiligt.
- Die Fragebögen machen transparent, welche Auswirkungen Änderungen der Produktionsbedingungen, zum Beispiel mehr Tierwohl, auf den Preis haben. So wissen Verbraucher genauer, warum sie mehr für das Lebensmittel bezahlen und was sie dafür bekommen.
- Kurze Erläuterungen der Erzeugungskriterien auf der Verpackung sind direkt beim Einkauf verfügbar und somit eine wertvolle Hilfe. Beteiligte Landwirte und die Molkerei lassen sich durch einen QR-Code schon im Supermarkt leicht recherchieren.